Erneut im Reha-Modus

Die Ehre, Gast unseres ersten Features zu sein, hat Clemens Nocker. Clemens ist 19 Jahre alt und in der Sportart Ski Alpin aktiv. Seit mehreren Jahren ist er im ÖSV-Kader und dort vor allem in den Speed-Disziplinen am Start. Im Olympiazentrum trainiert er seit Frühjahr 2015, sein hauptverantwortlicher Trainer ist Roland Luchner. Besonders schätzt Clemens am Olympiazentrum die zusätzliche Ergänzung zum Verbandstraining, die zeitliche Flexibilität und die persönliche Betreuung. Wichtig ist ihm beim Training, die Mischung zwischen Ernst und Spaß zu finden. Sein größtes Verbesserungspotential sieht Clemens darin, seine Lockerheit auch in wichtigen Momenten zu behalten.

Zum Skirennlauf ist Clemens über seinen Vater gekommen, der seit 16 Jahren Obmann des SC Raiba Trins ist. Erste Erfolge waren der Gewinn der Wipptaler Meisterschaft und Siege bei Vereinsrennen. Nach fast einem Jahr Verletzungspause startete Clemens erfolgreich in diese Saison. Im Europacup konnte er einen 13. und 19. Platz im Super-G, sowie einen 9. Platz in der Superkombination feiern. Anfang Januar sicherte er sich im Europacup auf der Reiteralm einen starken 5. Platz im Super-G.

Kurz vor der Juniorenweltmeisterschaft in Sotschi gewann Clemens den österreichischen Meistertitel bei den Junioren in der Abfahrt. Bei der WM in Russland ging er, nachdem er Trainingsbestzeit gefahren war, mit besten Voraussetzungen ins Abfahrtsrennen, wo er sich bei einem Sturz eine Verletzung zuzog. Das ist nun schon die zweite Knieverletzung – auch letzte Saison erlitt er einen Kreuzbandriss am rechten Knie. Gedanken nach der Verletzung waren im ersten Moment ‚Scheiße, nit scho wieder’ und im zweiten Moment kam die Enttäuschung darüber, durch das Ausscheiden das größte Saisonziel verpasst zu haben. Die Reha absolviert er in unserer Partnerinstitution Sporttherapie Huber und am Olympiazentrum.

Ziele für das kommende Jahr sind schwer festzulegen, da Clemens wegen der Verletzung voraussichtlich wenige Rennen fahren wird. Doch bis in drei Jahren will er den Sprung in den Weltcup schaffen, erste Weltcuperfahrungen sammeln und sich bis in fünf Jahren im Weltcup etablieren. Das große Ziel sind die olympischen Winterspiele 2022!

i

WORDRAP „DA SCHAU HER“

Was wärst du heute, wenn nicht Skifahrer?
Ich würde wahrscheinlich in der Installationsfirma meines Vaters mitarbeiten.

Mit welchem Sportler würdest du gerne mal trainieren?
Mit Hermann Maier.

Was ist Luxus für dich?
Luxus ist für mich, völlig fit zu sein.

Hättest du lieber einen Monat lang kein Handy oder kein Auto?
Kein Auto.

Wenn du jetzt auf play bei deinem Handy drücken würdest, welches Lied würde kommen?
Highway to Hell.

Du hast dich ja kürzlich verletzt, was ist passiert und wie?
Das ist beim Abfahrtsrennen in Sotschi passiert. Ich habe eine Kreuzbandruptur rechts und einen leichten lateralen Meniskusschaden erlitten.

Wie schaut dein Training nach der Verletzung aus?
Jetzt kommen 7 Monate Aufbautraining. Der Plan ist, dass ich am 1. November meinen ersten Skitag habe, also 8 Monate nach der Verletzung.

Wann und wo bist du das erste Mal auf Ski gestanden?
Mit 2 in Trins.

Welches ist dein Lieblingsskigebiet?
Hinterstoder.

Was ist deine liebste Sommersportart?
Fußball.

i

Persönliche Updates von Clemens auf Facebook und Instagram.

Blog by Pia Demler

Besuch von Vizerektor Fügenschuh im Olympiazentrum

Bereits kurz nach seinem Amtsantritt am 1. März dieses Jahres besuchte Vizerektor Univ.-Prof. Dr. Bernhard Fügenschuh das Olympiazentrum am Campus Sport der Universität Innsbruck. Unser sportlicher Leiter a.o. Univ.-Prof. Dr. Christian Raschner konnte Vizerektor Fügenschuh die tollen Räumlichkeiten des Olympiazentrums zeigen, in denen täglich eine Vielzahl an SpitzensportlernInnen unterschiedlichster Sportarten trainieren aber auch sportwissenschaftliche Forschungsprojekte, speziell im Bereich der Talentforschung, umgesetzt werden. Als Vizerektor für Lehre und Studierende ist Prof. Fügenschuh unter anderem auch für das Spitzensportförderprogramm der Universität verantwortlich. So konnte er sich vor Ort mit akkreditierten AthletenInnen über die Herausforderung der Kombination von Leistungssport mit universitärer Ausbildung unterhalten. Zum Abschluss durfte ein Gruppenfoto im Kraftraum natürlich nicht fehlen.

Equipement im Sport – Zeitaufwand vs. Relevanz

Neue Technologien scheinen unsere Gesellschaft sehr stark zu beeinflussen. So ist es auch im Leistungssport. Sport- und Wettkampfgeräte durchliefen in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung. Es gibt kaum eine Sportart, in der dies nicht der Fall war. Die Sportartikelhersteller und Verbände versuchen gemeinsam mit ihren Athletinnen und Athleten an der Optimierung des individuellen Wettkampfgerätes zu arbeiten, um die Performance nicht dem Zufall zu überlassen. Vor allem in Sportarten, in denen bereits eine Hundertstelsekunde über Sieg oder Niederlage entscheidet, wird viel Zeit und Geld in die Forschung und Materialentwicklung investiert. Aber auch die Sportlerinnen und Sportler sind dabei gefordert. Sie investieren in das „Materialtesten“ ebenfalls viel Zeit und Energie. Oftmals kann dies mehrere Stunden pro Woche dauern. Jedoch stellt sich für mich die provokante Frage, inwiefern die Gefahr besteht, dass man sich zu viel auf das Material fokussiert und dadurch andere Aspekte in den Hintergrund geraten könnten. Ich stelle mir deshalb die Frage, da mir aufgrund der Zusammenarbeit mit Athletinnen und Athleten aus verschiedensten Sportarten aufgefallen ist, dass das Wettkampfmaterial einen immer höheren Stellenwert einnimmt. Ich persönlich sehe diese Entwicklung kritisch. Leider ist es teilweise schon im Kindesalter ersichtlich, dass bereits versucht wird, die materielle Komponente vollkommen auszureizen. Spätestens ab dem frühen Jugendalter zählt das Sportequipment mit zu den wichtigsten Aspekten. Der Skisport, sei es alpin oder nordisch, ist für mich in Österreich ein gutes Beispiel. Aber auch in vielen anderen Sportarten zeigt sich dieses Verhalten.

Das Wettkampfequipment hat meines Erachtens sehr wohl einen entscheidenden Einfluss auf die Performance, da die Sportlerin bzw. der Sportler und das Material immer als Einheit zu betrachten sind. Somit ist es früher oder später unausweichlich, dass sich die Sportlerinnen und Sportler intensiver mit dem Material auseinandersetzen. Auch sollten Athletinnen und Athleten bereits im jungen Alter lernen, ihr Wettkampfmaterial richtig instand zu halten. Die Rede ist hier aber nicht von Präparation und Instandhaltung, sondern von komplexeren Materialänderungen und dem Drang, neueste Technologien immer und überall auszuprobieren. Feinstabstimmungen, intensive Auseinandersetzung und das „Tüfteln“ mit dem Material sollten erst erfolgen, wenn sich die Athletinnen und Athleten sportlich gesehen auf einem hohen Niveau befinden und bereits viel Erfahrung mitbringen. Ich persönlich glaube aber, dass dies oftmals viel zu früh geschieht und der Fokus aller Beteiligten mehr auf das Material gelenkt wird, als auf die entscheidenderen Aspekte, wie Bewegungsausführung bzw. Technik, Athletik, Geschicklichkeit und Lebensweise. Zudem besteht die Gefahr, dass man auf der Materialebene leicht in einen Irrweg gelangt. Junge Athletinnen und Athleten können oft gar nicht einschätzen, ob gewisse Änderungen an dem Equipment positiv oder negativ zu bewerten sind, da sie meist technisch und athletisch noch gar nicht ausgereift sind. Weiters kann man nicht von jungen Sportlerinnen und Sportlern verlangen, dass sie bereits mit zwölf oder dreizehn Jahren ein ausgeprägtes Materialverständnis mitbringen. Aber auch Trainerinnen bzw. Trainer, Serviceleute und Eltern können oftmals nur subjektiv bewerten, ob gewisse Materialänderungen von Vorteil für die Performance waren oder nicht.

Ein weiteres Problem, welches ich in diesem Zusammenhang sehe, ist, dass man bei Misserfolg weiterhin versucht, an der „Materialschraube“ zu drehen, da der Fehler auch dort vermutet wird. Athletinnen bzw. Athleten, sowie deren Umfeld erwarten sich oft einen großen positiven Effekt von der vielen Zeit, welche sie in das „Materialtesten“ investiert haben. Die Enttäuschung ist dann aber dementsprechend groß, wenn die Erwartungen nicht erfüllt wurden. Viele andere Defizite oder Potenziale werden in solchen Phasen ganz übersehen oder geraten in den Hintergrund. Beispielsweise versucht man durch weitere Materialtests ein Problem, welches aber grundsätzlich in der Bewegungsausführung liegt, in den Griff zu bekommen, obwohl dieses vielleicht durch ein gezieltes Techniktraining eher und effizienter behoben werden könnte. Vor allem die Wissenschaft ist aufgerufen, mehr Klarheit über die Optimierung und Erprobung des spezifischen Wettkampfequipments zu erhalten. Wie viel kann man wirklich mit individuellen Materialoptimierungen herausholen und steht der Zeitaufwand dafür? Welchen Einfluss hat dabei die Psyche? Gibt es einen Placebo-Effekt?

Gerade in einer Gesellschaft, in der das Materielle einen immer größeren Stellenwert einnimmt, ist es die Aufgabe der Trainerinnen und Trainer, sowie der Eltern, einen „übergroßen Materialfokus“ zu vermeiden und in vielen Situationen das Hauptaugenmerk wieder mehr auf Bewegungstechnik, Athletik und Lebensweise zu legen.

von Mario Lazzeri, MSc

Grünberg wird Wings for Life World Run Botschafterin

Die ganze Welt steht schon wieder in den Startlöchern, um am 08.Mai 2016 für diejenigen zu laufen, die es selbst nicht können. Wenn um Punkt 13 Uhr Lokalzeit der Startschuss für den 3. Wings for Life World Run fällt, wird heuer erstmals auch Kira Grünberg an der Startlinie stehen. Die junge Tirolerin, die seit einem Trainingsunfall im Sommer selbst querschnittsgelähmt ist, will damit ein Zeichen setzen und sich nun auch selbst für die Rückenmarksforschung einsetzen.

Als Kira Grünberg am 30.Juli beim Training in Tirol unglücklich in den Einstichkasten der Stabhochsprunganlage stürzte, war der 22-jährigen Leichtathletin sofort klar was passiert war. Umgehend wurde Grünberg in die Innsbrucker Universitätsklink gebracht und versorgt. Kurz darauf bestätigten die Ärzte, was sie selbst schon ahnte – Querschnittslähmung. Eine Diagnose, die derzeit leider Millionen von Menschen weltweit betrifft.

Mutig und voller Lebenswillen hat Grünberg ihr Schicksal angenommen und trainiert hart um wieder zurück ins Leben zu finden. Mit viel Ehrgeiz und Unterstützung ist es ihr gelungen eine eingeschränkte Bewegungsfähigkeit im Oberkörper wiederzuerlangen und simple Dinge wie Zähne putzen, essen und trinken neu zu erlernen. In den vergangenen Wochen und Monaten erfuhr die junge Tirolerin eine Flut an Mitgefühl und Hilfe. Unterstützung, die sie nun gerne dazu nützen möchte das Thema Rückenmarksverletzungen weiter in die Öffentlichkeit zu tragen.

Kira Grünberg zu ihrer Rolle als Botschafterin: “Ich bin stolz die neue Botschafterin des Wings for Life World Runs zu sein. Ich habe seit meinem Unfall von vielen Seiten sehr viel Unterstützung bekommen und möchte jetzt etwas zurückgeben und dazu beitragen, dass Querschnittslähmung heilbar wird. Als Botschafterin ist es für mich selbstverständlich, dass ich am Lauf teilnehme. Bis zum 8. Mai werde ich weiter trainieren, damit ich mein Team beim Lauf unterstützen kann. Ich kann nur alle dazu aufrufen mitzumachen, denn nicht nur Profisportler, sondern wirklich jeder kann seinen Beitrag dazu leisten, dass Menschen mit Querschnittslähmung in Zukunft geholfen werden kann. Mein Motto und das Motto des Laufs heißt: Jeder erreicht das Ziel!”

© Mirja Geh

Award of Excellence für Lisa Müller

Lisa Müller, Mitarbeiterin des Olympiazentrums, erhielt den Award of Excellence für ihre im April abgeschlossene Dissertation zum Thema „The relative age effect in alpine ski racing“ aus dem Bereich der Talentforschung. Betreut wurde sie dabei von ao. Univ.-Prof. Dr. Christian Raschner und em. Univ.-Prof. Dr. Elmar Kornexl. Seit Einführung dieses Staatspreises wurde erstmals eine Dissertation im Bereich der Sportwissenschaft ausgezeichnet.

Der Award of Excellence wurde im Jahr 2008 durch Bundesminister Dr. Johannes Hahn ins Leben gerufen und zeichnet die österreichweit die 40 besten Dissertationen eines Studienjahres aus. Voraussetzung für die Verleihung dieses Preises sind die Einhaltung der Mindeststudiendauer des Doktoratsstudiums sowie eine hervorragende und bestbeurteilte Dissertation. Die Vorschläge für diesen Preis kommen von den Rektorinnen und Rektoren der einzelnen Universitäten. Dieser Staatspreis wurde heuer am 4. Dezember im Palais Harrach in Wien – Freyung feierlich überreicht.

Wissenschaft trifft Praxis

Seit Jahren bzw. Jahrzehnten wird das Ziel eines Wissenstranfers von der Wissenschaft in die Sportpraxis propagiert und mehr oder weniger konsequent verfolgt. Kongresse, Trainerseminare- und Symposien, von Bund finanzierte Stellen u.ä. beschäftigen sich mit dieser Thematik. Doch wie einfach oder schwer ist dieser Vorsatz in die Tat umzusetzen?

Bedenkt man, dass sich die Wissenschaft häufig der Statistik bedient, ergeben sich dadurch erste Schwierigkeiten. Die Statistik (nach Sachs 1984) arbeitet mit Methoden, die uns erlauben, optimale Entscheidungen im Falle von Ungewissheit zu treffen. Nun will der Praktiker aber keine „optimalen“ Ratschläge für sein Training, sondern genau die richtigen bzw. die auf seinen Athleten passen. Schwierigkeiten in der Übertragbarkeit der Erkenntnisse aus der Statistik ergeben sich zum einen dadurch, dass Stichproben oft nicht aus Leistungssportlern bestehen. Außerdem sind die vorrangig verwendeten statistischen Verfahren nicht für die Beurteilung des Einzelnen geeignet. Daher kann es vorkommen, dass neue Erkenntnisse für genau diesen Einzelsportler überhaupt nicht funktionieren, oder aber Maßnahmen wirken, die wissenschaftlich nicht belegt sind. Die Einstellung von Praktikern wozu man die Wissenschaft dann überhaupt brauche, ist teilweise verständlich aber doch etwas kurzsichtig. Um zu neuem Wissen zu gelangen, sind kontrollierte und v.a. wissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten folgende Versuchsanordnungen nötig. So kann man dem Trainer neue Tools zur Verfügung stellen, die nicht sicher, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auch beim Topathleten funktionieren.

Der zeitliche Aspekt in der Wissenschaft – von der Datenerhebung bis zur Publikation vergehen oft mehrere Jahre – soll an dieser Stelle nur erwähnt, aber nicht diskutiert werden.

Ein weiteres Hindernis ist die meiner Ansicht nach gesunde Skepsis von Athleten und Trainern der Wissenschaft/dem Wissenschaftler gegenüber. Fast ausnahmslos werde ich bei neuen Projekten von Betreuern oder Aktiven nach meiner sportlichen Herkunft gefragt. Gerade diesen Personen scheint es oft wichtig zu sein, dass ein Wissenschafter auch ein gutes Verständnis von der Praxis hat.

Betrachtet man nun die andere, die Praxisseite, wird klar, wie wichtig gut ausgebildete Betreuer im Sport sind, die entsprechend neue Erkenntnisse zu finden, zu interpretieren und auf den Spitzensport umzumünzen wissen. Aus meiner Erfahrung der letzten 10 Jahre kann ich sagen, dass in Verbänden mit guter Struktur das Betreuerniveau sicherlich angestiegen ist.

Benötigt der Betreuer Unterstützung im Wissenstranfer, bedarf es Personen oder Institutionen die diesen Beitrag leisten können. Sportverbände können in Österreich hierbei auf 5 Olympiazentren, 4 Sportunis und 3 High Performance Centers zurückgreifen. Aufgrund von Überscheidungen der Institute wären das 7 verschiedene Einrichtungen. Geht man von einer Handvoll Personen pro Institut aus, die den Bereich des Wissenstransfers abdecken können, ist das eine überschaubare Anzahl an (meist) Sportwissenschaftern. In Österreich gibt es 60 anerkannte Bundesfachverbände mit zahlreichen Sparten und rund 500 aktuell in Team Rot-Weiß-Rot (TRWR) und Projekt Rio geförderten SpitzensportlerInnen bzw. Teams. Die Beurteilung ob diese Zahlen zw. wissenschaftl. Betreuer und Athleten in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, ist jedem selbst überlassen. Ich meine, dass hier noch Luft nach oben besteht. Nicht zuletzt dadurch, dass bei immer mehr Verbänden die Basisarbeit bereits gut funktioniert und man über wissenschaftlichen Input nachdenken kann.

Auch in meinem Aufgabengebiet als Projektbegleiter im TRWR ist der Transfer aus der Wissenschaft in die Sportpraxis ein wichtiger Bestandteil. Immer wieder ist es möglich, v.a. nach Kongressen oder Fortbildungen Projekte mit Verbänden anzukurbeln, um die neuesten Erkenntnisse aus Trainingslehre, Ernährung o.ä. weiterzugeben. Doch muss auch ich mir eingestehen, dass diese Anstrengungen rudimentärer Natur und noch deutlich ausbaufähig sind.

Abschließen möchte ich mit einem Beispiel, bei dem der Wissenstransfer so funktioniert hat, wie ich ihn mir vorstellen würde. Aufgabenstellung war eine Verbesserung der Startleistung im Snowboardcross. Voraussetzung war ein entsprechendes Niveau bei Starttechnik, Material und konditionellen Eigenschaften (Weltcupgruppe SBX).

  1. Ein Forscher präsentiert auf einem Kongress neue Erkenntnisse bzgl. optimalem Aufwärmen und Vorstartaktivierung. Zudem wurden weiterführende Gespräche mit Experten auf diesem Gebiet geführt.
  2. Auf Basis von Punkt 1 erfolgte die Ausarbeitung eines entsprechenden Aufwärmprogrammes inkl. Vorstartprozederes gemeinsam mit dem Trainer
  3. Modelltraining bzw. Einschulung der Athleten bzgl. Durchführung der Übungen
  4. Validierung des Programmes anhand von Feldmessungen
  5. Resultat: je nach Athlet 3,5 – 10%ige Verbesserung der Startzeit

Aufgrund der geringen Stichprobengrößen und starken Streuung der Startzeiten wäre keine statistisch signifikante Veränderung festzustellen gewesen. Für den individuellen Sportler ist die Statistik jedoch nebensächlich, wenn er/sie um mindestens 0,05s schneller startet, als erstes in die erste Kurve einfährt und damit größere Chancen hat, den Lauf zu gewinnen.

Dieses Beispiel hat mir gezeigt, dass der Wissenstransfer notwendig ist und bei entsprechender praxisnaher Vermittlung auf jeden Fall positive Auswirkungen haben kann. In diesem Sinne sollten wir weiterhin daran arbeiten, alle Interessierten im Wissenstransfer zw. Wissenschaft und Praxis zu unterstützen, um die Leistung der Sportler kontinuierlich zu verbessern.

von Dr. Hans-Peter Platzer

Euregio Sport Camp 2015 – Olympiazentrum gestaltet Trainingstag

Im Zuge des EUREGIO SPORT CAMP 2015 organisierten die Trainer des Olympiazentrums Christoph Ebenbichler und Mario Lazzeri für die 60 TeilnehmerInnen am Sportplatz des Höhenleistungszentrums Kühtai abwechslungsreiche und anspruchsvolle Trainingseinheiten. Die sportbegeisterten Jugendlichen aus Tirol, Südtirol und Trentino waren mit vollstem Einsatz dabei, wenn es hieß koordinative Übungen/Tests schnellstmöglich zu meistern oder ihre Kraftfähigkeiten z.B. beim Prawlerschieben zu beweisen.

Am Samstag folgten LHStv Josef Geisler, sowie die Südtiroler LRin Martha Stocker zusammen mit Laura Savoia (Amt für Sport BZ), Matthias Fink (Euregio), Arthur Krasovic (Büroleiter TVB Innsbruck im Kühtai) und dem sportlichen Leiter des Olympiazentrums Christian Raschner der Einladung von Mag. Andreas Brix (Organisator des EUREGIO SPORT CAMP 2015 und Geschäftsführer des TVB Innsbruck) und besuchten die sportlichen Talente im Höhenleistungszentrum Kühtai.

Im Bild (v.l.n.r.) Christian Raschner (Olympiazentrum Universität Innsbruck), Arthur Krasovic (Büroleiter TVB Innsbruck in Kühtai), LHStv. Josef Geisler, Landesrätin Martha Stocker, Laura Savoia (Amt für Sport BZ), Andreas Brix (GF TVB Innsbruck) und Matthias Fink (Euregio)
Fotocredit (TVB Innsbruck/Strigl)

Der relative Alterseffekt

Wussten Sie, dass eigentlich bereits der Zeitpunkt der Geburt darüber mit entscheiden kann, ob Ihr Kind theoretisch überhaupt die Chance hat, jemals in einer Sportart, wie beispielsweise im alpinen Skirennlauf, für einen Kader selektiert zu werden und es an die Spitze zu schaffen? Somit stellt bereits das Geburtsmonat die erste Selektionsstufe dar. Dieses Phänomen ist in der Sportwissenschaft als der „Relative Alterseffekt“ (RAE) bekannt.

In der Gesamtbevölkerung werden pro Monat in etwa gleich viele Personen geboren.Wenn man die Monate des Jahres in vier Quartale einteilt, so sind ca. 25% der Gesamtbevölkerung in jedem Quartal geboren. In vielen Sportarten ist dies bei selektierten Sportlergruppen nicht der Fall: dort ist eine Überrepräsentation von früh im Selektionsjahr geborenen AthletInnen gegeben. In vielen Sportarten ist der 1. Jänner der Selektionsstichtag für die Wettkampfklasseneinteilung und demnach sind die meisten SportlerInnen, die in diesen Sportarten für höhere Kader etc. selektiert werden, in den ersten Monaten des Jahres geboren. Beispielsweise sind knapp 34% der Elite-SkirennläuferInnen im Weltcup lediglich in den Monaten Jänner, Februar und März geboren, darunter auch unsere auf Seite 8 abgebildete Athletin Elisabeth Görgl, die im Februar geboren wurde. Bei den TeilnehmerInnen der Junioren-Ski-Weltmeisterschaften 2009-2011 sind 37% in den ersten drei Monaten und lediglich 16% in den letzten drei Monaten des Jahres geboren. Wenn man sich die Geburtsquartalverteilung aller TeilnehmerInnen der Kids Cup-Rennen in Österreich (Alter: 7-11 Jahre) ansieht, so ist zu erkennen, dass über 30% im ersten Quartal und nur 12% im letzten Quartal geboren sind. Noch größer ist der Unterschied bei den vermeintlich talentiertesten Kindern dieser Altersgruppe, die für das nationale Kids Cup-Finale pro Bundesland ausgewählt werden, denn dort sind knapp 40% im ersten Quartal und lediglich 10% im letzten Quartal geboren. Dieser RAE wurde im alpinen Skirennlauf für jede Alterskategorie auf nationalem sowie auf internationalem Niveau nachgewiesen; dieser ist aber auch in vielen anderen Sportarten vorhanden, wie beispielsweise im Fußball in Österreich. Nachdem das Talent in einer Sportart sicherlich nicht vom Geburtsmonat abhängt, deutet das Vorhandensein des RAE auf einen Selektionsfehler im Talententwicklungssystem hin. Daher scheint es wichtig, die zugrundeliegenden Mechanismen des RAE für jede Sportart zu erheben.

Im Zuge eines größeren Projektes wurde dies von MitarbeiterInnen des Olympiazentrums für die Sportart Ski Alpin untersucht. Zwischen zwei AthletInnen, die in der gleichen Wettkampfklasse starten, kann ein Altersunterschied von bis zu 12 Monaten liegen, wenn eine/r im Jänner und eine/r im Dezember geboren ist. Dieser Altersunterschied führt zu einem größeren Erfahrungshorizont des/r relativ Älteren in Training und Wettkampf und zu einem Entwicklungsvorsprung. Dadurch können die relativ Älteren aktuell bessere Leistungen erbringen, werden als vermeintliche Talente selektiert,bekommen bessereTrainingsmöglichkeiten und höher qualifiziertere Trainer etc. und somit kommt ein so genannter „Teufelskreis“ ins Rollen, weil sie dadurch immer noch bessere Leistungen erbringen können und somit auch das Feedback von TrainerInnen, Eltern und Freunden immer positiver wird. Dadurch entsteht ein riesiger Vorteil der relativ Älteren, welcher oft für die relativ Jüngeren nicht mehr aufzuholen ist. Deshalb steigen viele relativ jüngere SportlerInnen verfrüht aus dem Sport aus, was deshalb längerfristig zu dem RAE und der damit verbundenen nicht gleich-ver teilten Gebur tsquar talver teilung führ t. Somit besteht eine Diskriminierung von jungen Talenten, da die relativ jüngeren SportlerInnen trotz ihres Talents nur eine geringe Chance haben, das Elitelevel zu erreichen. Es konnte aufgezeigt werden, dass selektierte junge SkirennläuferInnen das gleiche sportmotorische Leistungsniveau aufweisen, egal wann im Jahr sie geboren sind. Dies deutet darauf hin, dass relativ jüngere AthletInnen nur dann eine Chance haben, selektiert zu werden, wenn sie bereits ein höheres sportmotorisches Leistungsniveau aufweisen. Zudem konnte gezeigt werden, dass relative ältere SkirennfahrerInnen eine zusätzlich höhere Wahrscheinlichkeit haben, selektiert zu werden, wenn sie größer und schwerer sind. Somit haben auch die anthropometrischen Charakteristika einen Einfluss auf die Talentselektion im alpinen Skirennlauf. Außerdem konnte aufgezeigt werden, dass nur jene spät im Jahr geborenen SportlerInnen eine Chance haben, beispielsweise für das nationale Kids Cup-Finale (Alter 10-12 Jahre) selektier t zu werden, wenn sie früh entwickelt sind. Wenn man eine Vergleichsgruppe von gleichaltrigen Nicht-SportlerInnen in früh, normal und spät entwickelt einteilt, so sind in jedem Quartal ca. 70% normal entwickelt und jeweils ca. 15% früh und spät entwickelt. Bei den für das nationale Kids Cup-Finale selektierten SkirennläuferInnen war dies nicht der Fall, da beispielsweise im letzten Quartal 50% früh entwickelt und 50% normal entwickelt waren. In der gesamten Gruppe der Kids Cup-FinalistInnen gab es keine spät entwickelten Kinder. Dies zeigt deutlich auf, dass der biologische Entwicklungsstand den RAE und somit die Selektion im alpinen Skirennlauf sehr stark beeinflusst. Somit ist es wichtig, neben den anthropometrischen Parametern auch den biologischen Entwicklungsstand in der Talentselektion zu berücksichtigen, um spät entwickelte Kinder nicht zu diskriminieren, und um in weiterer Folge zur Minimierung des RAE im alpinen Skirennlauf beizutragen.

Daher war ein weiteres Ziel des durchgeführten Projektes, eine einfach anwendbare Methode zur Erhebung des biologischen Entwicklungsstandes zu finden. Die Gold- Standard-Methode zur Erhebung des biologischen Alters stellt das Handwurzelknochenröntgen der linken Hand dar. Diese Methode ist jedoch sehr teuer, bedarf der Expertise eines Mediziners sowie der entsprechenden Gerätschaften und außerdem ist sie mit einer Strahlenbelastung verbunden. Daher eignet sich diese Methode nicht, um sie standardmäßig in der Talentselektion einzusetzen. Man kann nicht verlangen, dass jeder Verein bzw. Verband seine Schützlinge zum Röntgen schickt, um das biologische Alter zu erheben. Daher wurde eine Methode von Mirwald et al., welche lediglich auf anthropometrische Parameter zurückgreift, auf ihre Gültigkeit überprüft, indem die Ergebnisse mit den Ergebnissen des Handwurzelknochenröntgens bei einer Gruppe von jungen SkirennläuferInnen und einer Vergleichsgruppe von Nicht- SportlerInnen verglichen wurden. Diese letztgenannte Methode wird als „Age at Peak Height Velocity (APHV)- Methode“ bezeichnet und sie berechnet anhand von geschlechtsspezifischen Prognosegleichungen jenes Alter, in welchem das Individuum den individuell größten Wachstumsschub erreichen wird. Dies ist in weiterer Folge ein Indikator, wie weit entwickelt das Kind ist. Dafür müssen lediglich die Größe, die Sitzgröße (siehe Foto S. 7), das Gewicht und die Beinlänge erhoben, sowie das genaue Alter berechnet werden. Es konnte aufgezeigt werden, dass die Ergebnisse der beiden Methoden vergleichbareWerte liefern und somit kann die einfach anwendbare APHV-Methode zukünftig in der Talentselektion eingesetzt werden. Dadurch soll dazu beigetragen werden, dass spät entwickelte Kinder nicht mehr diskriminiert werden.

Der RAE stellt ein zentrales Problem in vielen Sportarten, wie beispielsweise im alpinen Skirennlauf, dar. Es ist wichtig, Maßnahmen zu setzen, um diesen Effekt minimieren zu können. Daher sollten aufbauend auf den Erkenntnissen des durchgeführten Forschungsprojektes zukünftig in der Talentselektion das relative Alter, anthropometrische Charakteristika und der biologische Entwicklungsstand berücksichtigt werden, um keinem Talent bereits frühzeitig jegliche Chance auf die Entwicklung seines/ihres Potentials zu nehmen und verfrüht aus dem Sport aussteigen zu lassen. Denn dadurch würden viele, junge Talente verloren gehen, die uns dann im Elitebereich fehlen würden.Wie vieleTalente in den letzten Jahren bereits verloren gegangen sind und wie viele Medaillen Österreich somit bei Großereignissen durch die Lappen gegangen sind, ist schwer zu sagen, aber viele waren es sicherlich…

von Lisa Müller