Mit Cap und Charakter
Roland Luchner ist seit 2011 fester Bestandteil des Trainerteams im Olympiazentrum Tirol. Vor seiner Tätigkeit am Olympiazentrum war er unter anderem beim HC Innsbruck (Eishockey) sowie der WSG Wattens (Fußball ehemalige 3. Liga) als Konditionstrainer tätig. Zudem hatte er die sportwissenschaftliche Betreuung des Sport BORG und der Sport HAS in Innsbruck inne.
Heute zählen neben Golferinnen und Golfern, Sportschützinnen und Sportschützen vor allem Alpine Skirennläuferinnen und Skirennläufer zu seinem Athletenpool.
WORDRAP „DA SCHAU HER“
Was schätzt du am meisten am Olympiazentrum?
Zum einen interessiert mich die Arbeit mit Athletinnen und Athleten aus dem Leistungssport, welches in dieser Form außerhalb des Olympiazentrums in Tirol schwierig möglich ist, da ein Großteil der in Tirol lebenden Nachwuchs- und SpitzensportlerInnen durch das Olympiazentrum versorgt sind. Es ist wahnsinnig spannend und herausfordernd, mit ihnen gemeinsame Visionen auszuarbeiten, einen Plan für das Erreichen ihrer Ziele zu erstellen und mit konsequenter und harter Arbeit den gesteckten Zielen Schritt für Schritt näher zu kommen.
Zum anderen schätze ich die Arbeit im Team und den täglichen Austausch mit den MitarbeiterInnen, welche allesamt ExpertInnen in ihren Bereichen sind. Dadurch bekommt man ständig neue Informationen, die man in die Arbeit mit seinen Athletinnen und Athleten einfließen lassen kann.
Zu guter Letzt ist die Sportartenvielfalt zu erwähnen, welche die Arbeit im Olympiazentrum sehr spannend macht. Hiervon profitieren nicht nur wir Trainer, sondern auch die Athletinnen und Athleten bei uns im Haus. Der ständige Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Sportarten ermöglicht einen sehr wertvollen, sportartübergreifenden Erfahrungsaustausch und stellt einen der größten Benefits des Systems Olympiazentrum dar.
Alpiner Skirennlauf gilt als Hochrisikosportart. Was sind diesbezüglich deine Erfahrungen?
Natürlich ist allen Beteiligten klar, dass es sich beim Alpinen Skirennlauf um eine Hochrisikosportart handelt, bei der es immer wieder zu schweren Verletzungen kommt. Dennoch versucht man das Risiko so gut es geht zu minimieren. Ein großer Teil dieser präventiven Arbeit besteht darin, die Athletinnen und Athleten im konditionellen Bereich so gut es geht auf die Belastungen auf den Skiern vorzubereiten. Hierbei befindet man sich stets auf einem sehr schmalen Grat zwischen dem Aufbau einer entsprechenden Belastungsverträglichkeit und einer möglichen Überbelastung. Hier ist der ständige Austausch zwischen dem Athleten/der Athletin und dem Trainer der wesentliche Schlüssel zum Erfolg. Durch unsere enge Kooperation mit unserem Physiotherapeuten im Haus, Philipp Gebhart, der Sporttherapie Huber und Mair, sowie dem Ärzteteam der Sport- und Gelenkchirurgie „Gelenkpunkt“ ist über die letzten Jahre ein sehr großes Knowhow entstanden. Da es trotz aller akribischer Arbeit immer wieder zu Verletzungen kommt, ist während der letzten Jahre ein Leitfaden zur Rehabilitation von Kreuzbandverletzungen entstanden, anhand dem wir versuchen, unsere verletzten Athletinnen und Athleten bestmöglich zu therapieren und anschließend wieder in das Wettkampftraining zu integrieren. Dieses Reha-Konzept steht nicht nur den in Innsbruck akkreditierten Athletinnen und Athleten zur Verfügung, sondern wird zukünftig im Zuge des „RETURN2WIN“ Konzepts, welches in Zusammenarbeit mit der Sport- und Gelenkchirurgie „Gelenkpunkt“, der Sporttherapie Huber und Mair und dem österreichischen Skiverband ins Leben gerufen wurde, sämtlichen ÖSV Athletinnen und Athleten zugängig gemacht.
Durch verschiedene Kooperationen ist hier sehr fundiertes Knowhow zu Knieverletzungen entstanden. Dies betrifft in erster Linie den alpinen Skirennlauf. Besteht die Absicht, in Zukunft auch Rehabilitationsprojekte in anderen Sportarten zu starten?
Ja es gibt Überlegungen dieses Angebot auch in anderen Bereichen anzubieten. Es gibt Verbände, die an uns herangetreten sind und angefragt haben, ob es möglich ist, ihre AthletInnen während ihrer Reha-Zeit im Olympiazentrum betreuen zu lassen, da verbandsintern oft nicht die nötigen Kapazitäten zur Verfügung stehen, um einerseits den täglichen Wettkampf- und Trainingsbetrieb zu betreuen und zeitgleich einer Athletin oder einem Athleten eine entsprechende Betreuung im Zuge der Rehabilitation zu ermöglichen.
Du hattest selbst schon schwere Knieverletzungen und bist neben dem Eishockeyspielen sehr aktiv auf Skiern unterwegs. Hast du das hohe Verletzungsrisiko dieser Sportarten im Hinterkopf?
Ich habe mir einmal beim Skifahren und einmal beim Fußballspielen das vordere Kreuzband gerissen. Durch diese Verletzungen weiß ich auch in gewisser Weise, was in der Phase nach einer Verletzung auf die Athletinnen und Athleten zukommt. Mich persönlich beeinflusst das aber nicht wirklich in meinem Handeln im Sport. Beim Skifahren komme ich aber schon hin und wieder in Situationen, in denen ich mir im Nachhinein denke: „Puh, das war knapp“. Aber sobald wiederholt der Gedanke aufkommt, dass das, was ich hier mache, gefährlich ist und ich mich unter Umständen dabei verletzen könnte, muss ich damit aufhören. Denn dann fehlt mir die letzte Konsequenz in meinem Handeln und das Verletzungsrisiko würde dadurch extrem ansteigen.
Ist es für dich leicht, das Berufliche vom Privaten zu trennen oder beschäftigen dich solche schwierigen Situationen, in denen sich die SportlerInnen nach einer Verletzung befinden, auch in deiner Freizeit?
Generell ist es in unserem Job schwierig abzugrenzen, was ist Beruf und was ist privat. Als Trainer stehe ich meinen Athletinnen und Athleten im Grunde 24/7 zur Verfügung. Das ist jetzt natürlich überspitzt formuliert, aber mit deinen Gedanken und Überlegungen bist du im Grunde von morgens bis abends bei deinen Jungs und Mädels und überlegst, wie du sie weiterbringen kannst. Wenn du dann von Verletzungen deiner Athletinnen und Athleten erfährst, dann berührt dich das natürlich auch emotional, da du zu ihnen über die Jahre der gemeinsamen Arbeit natürlich ein sehr enges Verhältnis aufbaust (viele von ihnen sehe ich vermutlich öfter als meine Frau ;-)), dennoch ist es wichtig, ihnen gerade in diesen Situationen das Gefühl zu geben, dass eine Verletzung nicht das Ende der Welt bedeutet. Ich versuche dann sehr schnell auf die sachliche Ebene zurück zu kommen und plane die ersten Schritte des Reha-Prozesses mit ihnen. Auf diesem Weg möchte ich ihnen das Gefühl vermitteln, dass wir auf solche Situationen vorbereitet sind und sie sich zu 100% darauf verlassen können, dass wir gemeinsam den Weg zurück finden werden. Ein oft verwendeter Spruch von mir lautet: „Die aktuelle Situation ändert nichts an dem, wo wir in ein paar Jahren sein wollen“. Soll heißen: nur weil du dich jetzt verletzt hast, heißt das nicht, dass du nicht 2022 in Beijing eine olympische Medaille holen kannst. Da ich mit sehr vielen jungen Athletinnen und Athleten arbeite, ist es wichtig, dass sie auf Grund einer Verletzung nicht den Blick auf ihre langfristigen Ziele verlieren.
Was ist deine Meinung zum hohen Verletzungsrisiko im alpinen Skirennsport? Wo kann man ansetzen?
Dieses Thema ist natürlich auch bei uns im Haus ein viel diskutiertes. Vor allem wenn es Athletinnen und Athleten betrifft, die von uns betreut werden. Meistens werden dann nochmals alle leistungsdiagnostischen und sportmedizinischen Testergebnisse der letzten Jahre herausgeholt und man schaut nochmals genau, ob man vorab nicht doch irgendetwas übersehen hat. Zweifel an der eigenen Arbeit treten häufiger auf, als man das vielleicht oft zugeben mag. Nüchtern betrachtet ist aber oft festzustellen, dass das sportmedizinische und sportmotorische Leistungsprofil der Verletzten unauffällig ist. Unauffällig bedeutet gut, denn dann sind keine großen Schwachstellen bzw. Defizite zu erkennen. Die körperlichen Voraussetzungen sind im Spannungsfeld der Risikofaktoren aber nur ein kleiner Bestandteil. Die Analyse dieser Faktoren gestaltet sich wesentlich komplexer als man auf den ersten Blick glauben mag. Themen wie Material, Pistenbeschaffenheit, Reisestrapazen, Rennkalender, Ermüdung oder psychologische Faktoren tragen alle ihren Teil dazu bei. Demnach ist es schwer fest zu machen, wo der sprichwörtliche Hund begraben liegt. Definitiv ist es die Summe aus vielen Kleinigkeiten, die unterm Strich nicht mehr bewältigbar sind.
Im Olympiazentrum gibt es sehr fortschrittliche Trainings- und Messgeräte, die es ermöglichen, eine Vielzahl an Daten und Parametern zu bestimmen. Was ist deine Meinung dazu?
Grundsätzlich habe ich meine Grundidee, wie ein Training aussehen sollte. Hier verfolge ich die Philosophie: Keep it simple! Mache zunächst deine Hausaufgaben und festige deine Basics. „Keep it simple“ darf aber nicht mit „nicht fortschrittlich“ verwechselt werden. Die Anwendung moderner Trainings- und Messgeräte ermöglicht es uns, Dinge die wir häufig glauben, mit dem freien Auge qualitativ beurteilen zu können, quantitativ zu erfassen. Das ermöglicht uns, effektiv zu arbeiten. Effektivität darf dabei nicht mit Effizienz verwechselt werden. Effizienz bedeutet, sich beispielsweise eine Technik anzueignen, um eine Leiter schnellstmöglich hochklettern zu können, um einen Apfel vom Baum zu pflücken. Effektivität bedeutet, die Leiter an den Apfelbaum zu lehnen und nicht an den Kastanienbaum.
In welchem Stadium der Reha befinden sich Stephanie, Bernadette und Dominik? Was sind die nächsten Schritte?
Stephanie Brunner erlitt nach ihrem sehr erfolgreichen Comeback im Herbst des vergangenen Jahres im Jänner leider neuerlich einen Riss des linken vorderen Kreuzbandes. Stephanie hat durch die vorhergegangene Knieverletzung sehr viel gelernt. Sie weiß nun, dass Dinge nicht von heute auf morgen passieren können, sondern dass sie Zeit brauchen. Durch ihre sehr gelassene Art, an diesen Reha-Prozess heranzugehen, hat sie bereits in den ersten Wochen sehr große Fortschritte erzielt. Im Grunde sind wir im Trainingsprozess kaum noch eingeschränkt.
Bernadette Lorenz hat sich im Jänner das vordere Kreuzband auf der rechten Seite eingerissen. Nach einer 6-wöchigen Reha-Phase und einer anschließenden Leistungsdiagnostik wurde sie für das Rennfahren freigegeben. Nach wenigen Tagen auf Schnee brach sie den Comeback-Versuch jedoch ab, da sind nicht die 100%ige Stabilität verspürte, die es für das rennmäßige Skifahren braucht. Sie beendete daraufhin die Saison. Beim Freifahren riss sie sich wenige Tage später auf der linken Seite das vordere Kreuzband. Um die entsprechende Stabilität auf beiden Knien zu gewährleisten, wurde vor wenigen Tagen entschieden, dass sie im Zuge des Reha-Prozesses auch noch das eingerissene Kreuzband auf der rechten Seite operieren lässt. Somit stehen uns in den nächsten Wochen und Monaten die Rehabilitation von zwei operierten Knien bevor.
Dominik Raschner riss sich knapp vor Weihnachten zum ersten Mal das Kreuzband. Er ist in einem bislang komplikationslosen Reha-Verlauf schon sehr weit. Er ist ähnlich wie Stephi im konditionellen Bereich praktisch nicht mehr eingeschränkt. Wir befinden uns hier quasi auf der Zielgerade der Reha. Der Einstieg in das Schneetraining im Juli gilt zum jetzigen Zeitpunkt als sicher.
Autor dieses Blogposts → DANIEL SAFFERTMÜLLER, Praktikant: „Mein Name ist Daniel Saffertmüller und ich absolviere aktuell im Zuge meiner Ausbildung (Sports Equipment Technology – FH Technikum Wien) mein Berufspraktikum im Campus Sport Tirol Innsbruck – Olympiazentrum. In einem Interview befragte ich Roland zum Trainer-Dasein am Olympiazentrum, zu seinen persönlichen Erfahrungen mit Verletzungen und zum hohen Verletzungsrisiko im alpinen Skirennsport.i